Stand 04.07.2018

Gehirntumor und Seelische Folgen

Gehirntumor – Hirn-Metastasen – Tochtergeschwülste – Häufigkeit – Alter – Geschlecht – Warn-Hinweise – auffällige Symptome – psychische Veränderungen – psychosoziale Folgen – Tumorsitz und seelische Störungen: Stirnhirn-Tumore, Schläfenlappen-Tumore, weitere Tumor-Lokalisationen im Gehirn und ihre Folgen – u.a.m.

Gehirntumor, Hirntumor, Gehirngeschwulst, Tumor cerebri u. ä. ist eine krankhafte Geschwulst-Bildung innerhalb des Schädels. Sie kann entweder direkt vom Gehirn-Gewebe oder von den Hirnhäuten ausgehen (primärer) Hirntumor. Im Gegensatz dazu entstehen die Tochtergeschwülste, die so genannten Hirn-Metastasen aus Krebszellen, die ein Tumor aus anderen Organen ins Gehirn gestreut hat (z. B. Lungen- oder Brustkrebs).

Hirn-eigene Tumore werden anhand ihrer Zell- und Gewebeart unterteilt in gutartige (benigne) und bösartige (maligne) Gehirntumore (wobei aber auch gutartige Gehirntumore aufgrund ihres raum-greifenden Wachstums innerhalb einer unflexiblen Knochenstruktur lebens-bedrohlich werden können).

In Deutschland erkranken jährlich etwa 8.000 Menschen neu an unterschiedlichen Gehirntumoren. Zwar kann ein Gehirntumor prinzipiell in jedem Alter entstehen, am häufigsten sind jedoch Menschen ab dem 40. Lebensjahr betroffen (einige spezielle Hirntumore finden sich vor allem bei Kindern, ja sogar im Kleinkindalter). Die Ursachen für die Entstehung von Gehirntumoren sind bisher nicht völlig geklärt. Eindeutige auslösende Faktoren gibt es offensichtlich nicht, obgleich hier sicher noch Forschungsbedarf besteht.


Warn-Hinweise und auffällige Symptome

Leider bleibt ein Hirntumor oft (über-)lange Zeit verborgen, da er zunächst kaum ernstere Beschwerden zu verursachen pflegt. Und wenn, dann sind sie in den Augen des Patienten eher uncharakteristisch, können zu allen möglichen Befindlichkeitsstörungen oder scheinbar erklärbaren Beeinträchtigungen passen.

Gleichwohl gibt es eine Reihe von Hinweisen, vom Uncharakteristischen bis zum auffälligen Symptom. Dazu gehören vor allem neu auftretende Kopfschmerzen (die also nicht schon früher als Migräne-Attacken oder Spannungskopfschmerzen u. ä. belasteten). Und dies insbesondere nachts und in den frühen Morgenstunden. Außerdem mit der Zeit heftiger werdend und im Liegen zunehmend, im Verlauf des Tages aber wieder zurückgehend- Auf jeden Fall aber auf Dauer kaum durch Schmerzmittel zu unterdrücken. Sie können auch zusätzlich von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein. In manchen Fällen treten aber auch keine Kopfschmerzen auf, was das Befinden erleichtert, die rechtzeitige Diagnose aber ggf. erschwert.

Übelkeit und Erbrechen sind auch sonst in Kauf zu nehmen, und zwar nicht mit einer Magen-Darm-Erkrankung in Verbindung zu bringen, und dann auch noch vorzugsweise in den frühen Morgenstunden und auf nüchternen Magen.

Weitere Anzeichen sind schließlich Seh-Störungen, Lähmungserscheinungen, Gefühls-, Sprach- und Sprechstörungen, Koordinationsstörungen mit Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens (z. B. eine ungewöhnliche Ungeschicklichkeit). Auch ein zum ersten Mal auftretender epileptischer Krampfanfall muss diesbezüglich abgeklärt werden. Das Gleiche gilt für unwillkürliche Zuckungen eines Armes oder Beines oder gar einer ganzen Körperhälfte.

Schließlich ist auch mit Persönlichkeits-Veränderungen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen zu rechnen. Um was handelt es sich?

Psychische Veränderungen sind vor allem bei Tumoren im Kindesalter häufig das einzige Frühsymptom (die Schädelnähte sind noch nicht geschlossen, weshalb es viel später zu Hirndrucksymptomen und entsprechenden Kopfschmerzen kommt). Das plötzliche(!) Einsetzen von Verhaltensstörungen ist so lange auch auf einen raumfordernden Hirnprozess hin verdächtig, bis eine neurologisch-psychiatrisch-psychologische Abklärung auf diesem Gebiet zur Entwarnung berechtigt.

Die wichtigsten Warn-Symptome im Kindesalter sind Teilnahmslosigkeit, Spielunlust, Leistungsabfall, Reizbarkeit und Gemütslabilität.

Die Erfassung von seelischen und psychosozialen Früh-Warn-Symptomen ist aber für jede Altersstufe entscheidend. Und sie beschränkt sich nicht nur im Rahmen möglicher raumfordernder Hirnprozesse auf Hirntumore, sondern schließt auch Hirnabszesse (Eitergeschwüre), Hirnödeme (Verquellungen durch Flüssigkeitseinlagerung) sowie Hämatome (Blutergüsse zwischen den Hirnhäuten) ein. Auf was ist deshalb gezielt zu achten?


Seelische Störungen und Tumorsitz

Der Sitz des raumfordernden Hirnprozesses kann für das Beschwerdebild mitbestimmend sein, und zwar unabhängig und vor Ausbildung einer Drucksteigerung. Eine Hirndrucksteigerung, von wo auch immer ausgehend, führt schließlich zu rasch zunehmender Bewusstseinstrübung mit Benommenheit, Schläfrigkeit und Koma (nicht mehr erweckbar). Vor diesem bedrohlichen Stadium aber lassen sich bereits bestimmte Hinweise nutzen, je nach Lokalisation:

Ist hingegen der obere Stirnhirnanteil betroffen (Fachbegriffe: Marklager und Convexität), werden die Patienten aspontan, bis sie am Schluss überhaupt keine Initiative mehr entwickeln und stundenlang regungslos dasitzen, das Bett nicht mehr verlassen und sogar ihre Speisen halbzerkaut im Mund behalten. Auch die sprachlichen Äußerungen versiegen. Zielgerichtete Handlungen sind nur noch begrenzt anregbar. Die Antworten bleiben einsilbig, ein Gespräch ist am Ende nicht mehr möglich. Jede Umstellung ist erschwert: Hat sich der Betroffene einer Situation oder einem Objekt (Mensch, Tier, Gegenstand) zugewandt, ist er so darauf fixiert, dass er nur noch schwer abgelenkt werden kann.

Da die Eigeninitiative quasi ausgelöscht ist, wird die Auslieferung an die Umwelt umso stärker. Das äußert sich in so genannten Echo-Symptomen: Wiederholung des Gehörten (Echolalie), Wiederholung von Bewegungen des Gegenüber (Echopraxie), Wiederholungen von Handlungen und Worten (Perseveration) usw. Die Stimmung ist gleichgültig-indolent („wurstig“), der Gemütsbereich gleichsam „eingeebnet". Das Bewusstsein kann ungestört sein.

Meist ist jedoch der obere oder untere Teil des Stirnhirns nicht so scharf bzw. abgegrenzt betroffen, so dass es auch nicht zu einem scharf getrennten Beschwerdebild kommt. Oft findet man deshalb beim gleichen Patienten eine verwirrende Symptom-Mischung wie z. B. Antriebsverlust und gleichzeitig flache Euphorie usw.

Auf jeden Fall wird das Krankheitsgeschehen in mindestens einem Fünftel der Fälle von Wesens- und Charakterveränderungen eingeleitet (besonders wenn auch noch der Schläfenlappen des Gehirns betroffen ist). Die Folgen sind schwerwiegend, z. B. häufige Auseinandersetzungen, Verlust wichtiger sozialer Bezüge, am Schluss auch beruflicher bzw. sozialer Abstieg. Typisch ist auch eine eigenartig aspontane Verhaltensweise bei jedoch erhaltener Fremd- Erregbarkeit (allein reaktionslos, mit anderen tragbar).

Psychotische (z. B. Sinnestäuschungen) und depressive Krankheitszeichen (verstimmbar und ängstlich) finden sich bei Schläfenlappentumoren als Früh- und Erstsymptome häufiger als bei allen anderen raumfordernden Prozessen (z. B. depressive Zustände in über der Hälfte der Fälle).


Schlussfolgerung

Die überwiegende Zahl seelischer Störungen geht nicht auf einen raumfordernden Hirnprozess zurück. Deshalb scheint es nicht besonders wichtig, an eine solche Ursache zu denken. Für die „wenigen" Prozent aber, die hierdurch betroffen sind und durch mangelnde Aufklärung, unzureichende Kenntnis und damit unterlassenes Daran-Denken viel zu spät diagnostiziert und damit ohne den sonst möglichen Erfolg behandelt werden, ist es tragisch.

Deshalb kann es nicht schaden, bei den erwähnten seelischen Symptomen und psychosozialen Folgen auch die Möglichkeit einer Raumforderung zu erwägen.